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Kein Zugang trotz Zulassung

Medikamente, die vom Arzt verschrieben werden, haben einen langen Entwicklungsweg hinter sich. Nach mehrjähriger Forschung im Labor werden Wirkstoffe entwickelt, die zuerst an Tiermodellen dann an Menschen getestet werden, wobei die Sicherheit und die Wirksamkeit einer Substanz untersucht wird. Für vielversprechende Wirkstoffe wird schliesslich eine Zulassung beantragt. In der Schweiz entscheidet das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic über die Sicherheit und Wirksamkeit eines Medikamentes. Doch mit einer Zulassung haben Patienten leider noch keinen Zugang zu einer Therapie. Der Weg bis zur Kostenübernahme durch die Krankenversicherer ist meistens lang und mit grossen Hürden verbunden.

Im September 2017 liess Swissmedic mit Spinraza® ein erstes Medikament zur Behandlung von SMA im beschleunigten Verfahren zu; dies für alle Ausprägungen und Altersklassen. Trotz dem grundsätzlich langsam fortschreitenden Verlauf und teilweise suboptimalen Endpunkten, was ein häufiges Problem bei seltenen Erkrankungen ist, konnten klinische Studien die Wirksamkeit von Spinraza eindrücklich aufzeigen. Gravierende Nebenwirkungen wurden nicht festgestellt. Spinraza kann den Krankheitsverlauf stoppen und sogar eine Verbesserung des Gesundheitszustands bewirken. Die mangelhaft geregelte Kostenübernahme dieses teuren Medikaments verhinderte jedoch vorerst eine Behandlung für die meisten Betroffenen in der Schweiz.

Das schweizerische Gesetz sieht nach der Zulassung eines Medikaments keine automatische Übernahme der Kosten durch die Krankenversicherung vor, was sich gerade bei seltenen Krankheiten fatal auswirken kann. Die Pharmaunternehmen verlangen oft exorbitante Preise, welche die Krankenversicherer, vertreten durch die Bundesämter, nicht bezahlen wollen. Um eine gesicherte Vergütung für alle zu erreichen, muss ein Medikament in die Spezialitätenliste aufgenommen werden. Dafür beurteilt das Bundesamt für Gesundheit BAG die sogenannten WZW-Kriterien, das heisst die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Medikamentes. Diese Beurteilung ist jedoch speziell bei Medikamenten für seltenen Krankheiten sehr komplex. Es kommt zu langwierigen Verhandlungen zwischen den Akteuren – einem unwürdigen Poker über den Preis, mit Menschenleben als Einsatz. Und dies ohne Einbezug der Patientenstimme! Für dieses Problem muss zwingend eine pragmatische und tragfähige Lösung zwischen allen beteiligten Partner, also Industrie und Behörden gemeinsam mit den Patienten, gefunden werden.

Für SMA-Betroffene drängt die Zeit. Das Medikament erzielt erwiesenermassen die beste Wirkung bei einer möglichst frühen Verabreichung. Umso wichtiger ist es, dass alle SMA-Betroffenen in der Schweiz so schnell wie möglich Zugang zu Spinraza erhalten. In einer ersten Phase wurden alle Anträge für die Behandlung mit Spinraza in der Schweiz im Einzelfallverfahren nach Artikel 71b KVV entschieden. Bei der Beurteilung dieser Kostengutsprachen durch die Krankenkassen oder IV-Stellen wird das Kosten-Nutzen Verhältnis bewertet. Für diese Beurteilung gibt es jedoch nicht eindeutige Kriterien und folglich sind die Betroffenen der Willkür ausgesetzt. Daher sollten wirksame Medikamente automatisch in die für die Kostenübernahme so wichtigen Listen übernommen werden.

Im Falle von Spinraza forderte die Patientenorganisation SMA Schweiz in einem offenen Brief an Bundespräsident Alain Berset den Zugang zu der Therapie zu verbessern. Ebenfalls konnte SMA Schweiz in diversen Fernsehsendungen und Medienartikeln ihre Anliegen platzieren, Nationalrätin Silvia Schenker reichte eine Interpellation ein und unzählige Betroffene verschickten persönliche Briefe an die Verhandlungspartner. Dank dieser Aktionen und mit dem Einsatz der Fachärzte gelang schliesslich ein Teilerfolg: das Bundesamt für Sozialversicherungen BSV sprach sich im April 2018 für die Kostenübernahme für Betroffene bis 20 Jahre durch die IV-Stellen aus. Leider müssen die erwachsenen Betroffenen, die ihre medizinischen Massnahmen von der Krankenkasse erstattet bekommen, immer noch im Einzelfall Anträge stellen. Je nach Krankenkasse, Anwalt und Verhandlungsgeschick mit der Herstellerin werden die Kosten übernommen – oder eben nicht.

Dieser Zustand ist unhaltbar und unserem Rechtsstaat unwürdig. Daher verlangt SMA Schweiz weiterhin eine Rechtsposition für Betroffene, eine Anspruchsgrundlage und ein Verbandsbeschwerderecht. Es kann nicht sein, dass über den Kopf Betroffener hinweg überlebenswichtige Entscheidungen getroffen werden, ohne dass sie eigene Mitspracherechte erhalten.

Dr. Nicole Gusset, Präsidentin SMA Schweiz, Vizepräsidentin SMA Europe

Spinale Muskelatrophie (SMA)

Die SMA ist eine seltene neuromuskuläre Erkrankung. Aufgrund eines „Gen-Defektes“ wird ein bestimmtes Protein, das SMN-Protein, nicht in genügender Menge produziert. Dadurch erkranken die Nervenzellen, die normalerweise Impulse an die Muskeln weiterleiten. Bei SMA sind diese Impulse schwach oder fehlen gänzlich, die Folgen sind Muskelschwund. Laufen, Krabbeln, Sitzen, Kopfkontrolle und Schlucken werden für Betroffene, falls sie es je erlernt haben, mit Fortschreiten der SMA zunehmend schwieriger.

SMA Schweiz

SMA Schweiz ist die schweizerische Patientenorganisation für spinale Muskelatrophie und setzt sich dafür ein, dass Therapien für SMA-Betroffene möglichst schnell vom Labor zum Patienten gelangen. Hierzu arbeitet SMA Schweiz national und international mit allen Interessensgruppen eng zusammen und vertritt die Bedürfnisse der Betroffenen.

 

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